Ihr habt doch sicherlich auch schon mal Reportagen von tollen Zugreisen gesehen, die quer durch ein Land gehen – z.B. Australien mit dem „Ghan“, Europa mit dem „Orient Express“ oder Afrika mit dem „Rovos Rail“ – und euch dann gesagt: wenn ich Rentner bin mache ich das auch!
Aber muss man warten bis man in Rente ist?
Lohnt es sich lange auf solch eine außergewöhnliche Reise zu sparen?
Stimmt es, dass da nur alte und reiche Leute mitfahren?
Was ist, wenn einem eine lange Zugfahrt von 2 Wochen oder mehr gar nicht gefällt?
Sollte man dann nicht jetzt schon auf einer „Kurzstrecke“ testen, ob es der Traum ist den man sich im hohen Alter mal erfüllen will?
Das sind zu mindestens die Gedanken, die mir so in den Sinn gekommen sind.
Zwischen unserer Namibia-Gruppen-Rund-Reise und unserem Kapstadtaufenthalt hatten wir noch ein paar Tage Luft und wollten deshalb eine Zugreise dazwischen bauen.
Leider war es schwer selbst im Internet etwas über diese Art von Zugreisen in Afrika und den Preisen und vor allem die Verfügbarkeit herauszufinden. Aber zum Glück ist mir die Agentur „Venter Tours“ bei meiner Suche über die Timeline getickert. Die sind nicht nur spezialisiert auf Afrika – Reisen im Allgemeinen (Selbstfahrer, Gruppen oder Flugreisen), nein – auch Zugreisen haben sie im Angebot. Und schon der erste Kontakt mit den freundlichen Mitarbeiten erwies sich als Glücksgriff.
Wir waren natürlich mal wieder (im November) – wie schon so oft – mit unserer Suche für eine Reise zur Haupturlaubszeit: Dezember / Januar – spät dran. Aber Venter Tours hat es dennoch möglich gemacht und so buchten wir für 1.600 Kilometer lange Strecke Pretoria -> Kapstadt am 06. Januar 2017 für 2 Nächte und 3 Tage in den Luxus Zug von Rovos Rail.
Bereits bei Ankunft in der Railstation des Rovos Rails in Pretoria (der Hauptstadt von Südafrika) fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Die Szenerie ließ nicht auf Klischees warten: ein schönes viktorianische Gebäude, stolzierende Pfaue überall und es wurde Champagner und Häppchen gereicht um die Zeit bis zur Abfahrt zu überbrücken.
Und ja – der Warteraum füllte sich mit überwiegend älteren Damen und Herren.
Soweit ich das beurteilen konnte waren von den 60 Gästen sicherlich 80% über 50 Jahre alt.
Kurz vor Abfahrt begrüßte der Chef von Rovos Rail persönlich alle Gäste mit Namen und Handschlag und wünschte eine gute Fahrt.
Wir wurden in unser Abteil gebracht, welches für einen Zug richtig groß und vor allem schick war. Alles im altenglischen Kolonialstil. Wir hatten übrigens die „Mittelklasse“ gebucht und sogar ein eigenes Bad on Suite.
Schnell die Koffer verstaut und die Wagons durchstreift.
Wir waren deshalb eine der ersten hinten auf dem offenen Aussichtswagen, ergatterten somit einen Sitzplatz und bestellten schon mal ein Bier; und schon tuckelte das Hotel-auf-Schienen los.
Der letzte Waggon war also der Aussichtswagen mit anschließender Bar – wie praktisch.
Und das wussten wohl auch die anderen Gäste, denn der Bar Wagen und die Plätze neben uns füllten sich rasch. Und wer hätte es gedacht. Obwohl das Durchschnittsalter über unserem lag, wurde fröhlich einander vorgestellt und gemeinsam ein Bier, Wein oder Champagner getrunken. Aus fröhlich wurde wirklich schnell feucht-fröhlich und nicht nur der Zug, sondern auch die Witze nahmen Fahrt auf – aber sehr nett und gediegen; Englisch – Kolonial eben.
Irgendwann fragten wir uns, ob es noch einen Überblick gibt, wer was getrunken hat, denn die Kellner machten sich keinerlei Notizen und irgendein Fremder bestellte die nächste Runde, aber wer zahlt das alles? Ich musste sofort meine neue Bekanntschaft neben mir fragen. Und? Es ist alles inklusiv! Achso – das erklärt natürlich einiges. Habe ich wohl nicht richtig in der Buchung gelesen. Prost.
Da die Abfahrt am Nachmittag war, kam sehr schnell der Abend und es hieß sich für das 4 Gänge-Menü-Dinner im Belle-Époque Speisewagen frisch machen. Und dann ein kleines Problem: ups – es ist „Colar & Tie Pflicht“ (Hemd und Krawattenpflicht) für die Herren beim Essen. Mensch, ich hätte wirklich die ganze Beschreibung lesen sollen. Aber kein Problem – hier im Zug ist man unter sich und so war es ein Leichtes jemanden um eine Krawatten-Leihgabe für den Göttergatten zu bitten.
Kaum am fein gedeckten Essenstisch Platz genommen, ging auch schon die Schlemmerei los. Ich hätte nie gedacht, wie lecker in einem Zug gekocht und was alles gezaubert werden kann. Selbstverständlich gab es zu jedem Gang den passenden Wein, Aperitif oder Dessert-Trunk.
Aber nicht genug der Völlerei. Nein – danach ging es weiter mit ein paar Drinks im Bar Wagen mit Aussicht. Hui – jetzt aber schnell ins Abteil bevor es noch unschön wird.
Dort angekommen fanden wir ein für die Nacht traumhaftes hergerichtetes Bett (mit bestimmt 10 verschiedenen Kissen) vor – natürlich mit einem Betthupferl und Willkommensgruß drauf: Champagner und Schokolade (den stellten wir aber in die Minibar des Abteils – für heute war genug).
Die Nacht war etwas ungewohnt und ruckelig aber o.k. – die Bettwäsche war einfach zu kuschelig.
Wir mussten uns für den nächsten Morgen einen Wecker stellen, damit wir das frisch zubereitete Frühstück nicht verpassen – und das war schon wieder mehr als ausreichend. Alles was man in einem normalen Hotel auch bekommt (von frischen Früchten, Croissants, Eiern in jeglicher Form, Pancakes, Müsli etc.) – wo lagern die das alles?
Heute stand aber nicht nur Essen und Trinken auf dem Plan, sondern auch ein kleiner Stopp mit Ausflug am Morgen in Kimberley.
Kimberley ist bekannt für die ehemals größte Diamantenmine, die im Jahr 1914 bewirtschaftet wurde. Auch heute lässt „The Big Hole“ noch erahnen was damals hier so los gewesen sein muss.
Leider sind das angeschlossene Diamantenmuseum und die Stadt selbst schon in die Jahre gekommen und irgendwie in den 70ern stehen geblieben. Schade. Da sollte man meinen, dass gerade ein Diamond-Museum Geld hat um alles instand zu halten; ist immerhin die Zentrale von De Beers. Kann man also machen – muss man aber nicht – aber eine willkommene Abwechslung.
Zurück im Zug angekommen gab es auch schon wieder Mittagessen; genauso phänomenal wie schon das gestrige Dinner. Hui – eigentlich wäre jetzt ein kleiner Mittagsschlaf angesagt. Aber Pustekuchen – es ging natürlich durch den Bar Wagen zum Aussichtswaggon und? Jupp – es wurde Wein bestellt und getrunken. Aber ganz ehrlich – fährt man nicht sowieso nach Südafrika um die Weine hier zu genießen? Na also! Zudem lässt sich hier hinten die Aussicht viel besser genießen – dafür fährt man doch eigentlich Zug – um die Landschaft zu sehen – oder? Wir passierten die Highvelds, die trockenen Weiten der großen Karoo, fuhren durch Täler, sahen an uns Gebirgszüge vorbeiziehen und durchquerten natürlich die Weingebiete Richtung Kap.
Grundsätzlich schön anzuschauen, aber ich hatte mir ehrlich gesagt mehr vom Land vorgestellt.
Naja, es war ja auch „nur“ die Karoo-Route – und das sind nun mal viele Ebenen und Steppen ohne viel Abwechslung. Ich glaube dafür müsste man einfach eine andere Strecke fahren. Z.B. durch Botswana zu den Viktoria Fällen oder durch Sambia und Tansania ans Meer. Sicherlich viel Grüner und atemberaubender. Aber wie gesagt. Wir wollten ja auch eine Zugfahrt im Allgemeinen testen.
Den feuchtfröhlichen Nachmittag rundete dann noch die Tea-Time im Lounge Waggon ab.
Jetzt war aber eine kleine Auszeit fällig. Ich legte mich aufs Bett und schaute aus dem Fenster in unserem Abteil und an mir zog die endlose Weite Afrikas vorbei – achja es war so friedlich hier im Abteil. Genug gedöst. Es ist schon wieder Dinnerzeit.
Gleiches Spiel wie am Vorabend: Hemd & Krawatte (besser noch Anzug) für den Herren und das kleine Schwarze für die Dame. Und wieder vorzüglich mit 4 Gängen gespeist und etliche Weine gekostet.
Eigentlich wollten wir heute Abend mal langsam machen. Aber daraus wurde nichts.
Unsere Gruppe, bestehend aus: einem deutsch/südafrikanischem Pärchen, einem Alleinreisenden Australier mit schwäbischem Dialekt, ein Ehepaar aus Pretoria – jeweils in unserem Alter und zwei ältere Ehepaare aus England traf sich natürlich wo? Im Bar Wagen. Heute hatten die Kellner die Bar wunderschön mit Blumen und Cocktails dekoriert und wir ließen uns nicht lumpen diese auch zu probieren.
Highlight war der „Springbocki“. Ein Stamperl bestehend aus grünem Pfefferminzlikör und Amarula (so eine Art Bailys). Wirklich lecker.
Die Runde hatte sichtlich Spaß am Spiel „Ich packe meinen Koffer und nehme mit …“. Natürlich etwas abgeändert in: „once upon a time in a train of Africa …“ – also natürlich alles auf Englisch. Echt spaßig. Aber irgendwann war auch hier Ende und wir fielen müde in unser klimatisiertes Abteil ins Bett. Wieder einmal wunderschön hergerichtet mit einem Betthupferl drauf.
Am nächsten – sehr frühen Morgen – hieß es dann schnell Frühstücken, denn der Zug hält für einen kleinen Spaziergang im historischen Dorf Matjiesfontein.
Es tat gut mal die Beine etwas mehr zu vertreten als nur die Wege vom Aussichtswagen zum Speisewagon oder vom Abteil zum Aussichtswagen.
Die hübsch hergerichteten alten Häuser in Matjiesfontein sind wirklich nett anzuschauen. Hat aber eigentlich außer dem witzigen Museum mit alten Relikten aus den 20er Jahren nichts zu bieten. Aber auch hier eine willkommene Abwechslung zum Zugalltag.
Zurück im Zug: 3 Gänge-Lunch. Hmmmm – mal wieder sehr fein.
Schnell frisch gemacht und ein Nickerchen eingelegt. Dann ging es wieder nach Hinten wo auch schon die anderen warteten. Eigentlich verlief der Nachmittag genauso wie der Vortag – nur mit dem Unterschied, dass es nun hieß: Sachen packen – wir kommen am Spätnachmittag in Cape Town an.
Mit einem einstündigen unfreiwilligen Zwischenstopp kurz vor Kapstadt (Technik im Zug ist ausgefallen und wir standen ohne Klimaanlage und Strom mitten im nirgendwo bei fast 40 Grad auf den Gleisen) tuckelten wir Richtung Mother City.
Wir hatten bei diesem ganzen 3-Tages-Luxus-Wahn vergessen, dass wir – um in die City von Cape Town zu kommen – an vielen Townships vorbei fahren. Die Gleise führten direkt durch die Armenviertel durch und wir wurden mit unserem Wein in der Hand auf dem Aussichtswagen ziemlich schnell und unsanft zurück in die Realität geholt. Zum Großteil waren die Bewohner der Blechhüttendörfer und vor allem die Kinder freundlich und winkten uns Vorbeifahrenden zu – aber leider kam auch ab und an ein Stein geflogen.
Welcome in the real world. Wir hatten die Kluft zwischen Arm und Reich noch nirgendwo so krass empfunden wie hier.
Zurück in der Realität hieß es auch schon aussteigen; wir sind da – in Kapstadt. Dann ging alles leider viel zu schnell. Es wurde sich verabschiedet, Visitenkarten ausgetauscht und umarmt und Schwups waren alle in irgendwelchen Taxen, Limos oder Vans und weg. Auch wir machten uns im Taxi auf zu unserem Hotel.
https://youtu.be/Kk784GN15TI
Fazit:
Nun waren wir um einige Erfahrungen reicher und schlauer; denn unsere anfänglichen Fragen wurden beantwortet:
– muss man warten bis man in Rente ist? Nein
– Lohnt es sich lange auf solch eine außergewöhnliche Reise zu sparen? Ja
– Stimmt es, dass da nur alte und reiche Weiße mitfahren?
Zum Großteil ja – aber automatisch trifft man auf Gleichgesinnte und ganz ehrlich: auch ältere Damen und Herren können ganz schön fit, trinkfest und lustig sein!
– Was ist, wenn einem eine lange Zugfahrt gar nicht gefällt?
Dann kannst Du immer noch am nächsten Bahnhof aussteigen. Aber dazu wird es nicht kommen.
Es wird an Bord schon für Abwechslung gesorgt und wer eher der Typ ist „ich bleibe in meinem Abteil und lese ein Buch“ – auch gut.
– Sollte man dann nicht jetzt schon auf einer „Kurzstrecke“ testen, ob es der Traum ist den man sich im hohen Alter mal erfüllen will?
Für uns war es die richtige Entscheidung. Wir werden sicherlich nochmal eine Zugreise unternehmen; dann aber länger und mit noch schöneren Zielen.
Schlussendlich waren es teure 3 Tage mit dem Luxus-Zug durch Afrika.
Aber meines Erachtens den Preis wert. Denn irgendwie muss ja das ganze Essen, die Getränke, die Instandhaltung des Zuges, die Deko, die vielen Bediensteten, Kellner, Köche und Reinigungskräfte und Ausflüge finanziert werden.
In diesem Sinne: Danke für dies außergewöhnliche Erlebnis!