Die Wahrheit über Gruppenreisen – neue Freunde, Freaks & Emotionen

Auf allen meinen Reisen und Unternehmungen war noch nie eine richtige Gruppenreise dabei.
Also so eine, wo man tagtäglich mit den anderen – und vor allem Fremden – was zusammen unternehmen darf/kann/muss.
Klar, mal ein Tagesausflug oder eine Bootsfahrt mit mehreren; aber noch nie so lange und eng an einem Stück.

Wir hatten ein wenig Bammel vor der Namibia Reise. Mit 12 wildfremden Leuten zwei Wochen auf engstem Raum in einem Bus mehr als 2.500 km quer durch die Wüste zu tuckern klang beängstigend und außerdem hatte ich zuvor „Hummeldumm“ von Tommy Jaud gelesen … sollte er Recht behalten?

Wer tickt wie?
Machen wir uns Freunde oder Feinde?
Was kann schnell nervig werden und wann eskaliert es?
Wie kommt man damit klar?
Und wie Flexibel und Tolerant ist man selbst wirklich?

Hier meine Erfahrungen und Erlebnisse auf der Namibia – Gruppen – Rundreise:

Die erste Zusammenführung beim Frühstück in Kapstadt klappte ganz gut.
Zögerlich wurde sich beschnuppert.
Man stellte sich brav mit Namen vor, sagt woher man kommt, warum man evtl. alleine reist usw.

Bereits am ersten Tag merkt man, wie der ein oder andere tickt und überlegt, ob man mit bestimmten Personen mehr zu tun haben will. Wir hatten unser 4er Gespann ziemlich schnell zusammen. Ein jüngeres Pärchen Anfang 30 – die auch aus Bayern kommen – und mit denen wir uns auf Anhieb gut verstanden. Na das wäre doch schon mal geschafft.

Nach und nach kristalisierten sich dann doch die heraus, die man nicht so mag und man ist schnell verleitet zu lästern und diese abzustempeln. Egal ob es die zwei einzigen Raucher sind, wegen denen man ständig „Kaffeepausen“ machen muss oder die nervigen Alleswisser, die zu allem ihren Senf dazugeben müssen oder diejenigen, die einfach sowas von ignorant und falsch sind, dass einem fast schlecht wird.

Aber von vorne und ausführlich. Mit dabei waren:

Ein Herr Anfang 70 aus Franken (schon allein der Dialekt war gewöhnungsbedürftig – aber lustig) Rentner, alleinreisend (Frau blieb zu Hause), kariertes Hemd, ¾ Hose, Socken in den Schlappen, ehemaliger Lehrer für Erdkunde & Mathe.
So war es kein Wunder, dass er zu jedem Stein, jeder Vertiefung in der Erde, jedem Abschnitt auf der Landkarte und zu jedem Tier etwas zu sagen hatte. Auch war er immer der Erste, der aus dem Bus stürmte um auf Entdeckungstour zu gehen. Aber er war auch immer der letzte auf den alle warten mussten – immer. Schlussendlich hat er sich aber immer höflich verhalten und vor allem konnte e auch mal über sich selbst schmunzeln.

Ein Herr Mitte 60 aus der Schweiz, alleinreisend (geschieden – auf Urlaub – und steht kurz vor der Rente). Immer sehr gut gekleidet – keine Ahnung wo er die vielen freisch gebügelten Hemden versteckt hatte – und sehr gebildet. Grundsätzlich eine sehr ruhige Seele und fällt kaum auf. Aber wehe es läuft mal nicht so wie er will. Wir waren überrascht, dass nach der Hälfte der Tour sein „Gemüt“ ab und an mal umschlug. Griff die Guides verbal an, weil er sich nicht an den vorgegebenen „Plan“ halte wollte; unter dem Motto: er ist doch kein Kleinkind. Hat sich beschwert, dass er endlich an die Bar will und nicht blöd am Lagerfeuer hocken und sich den Krach (war übrigens eine schöne musikalische Vorführung Einheimischer) anhören will, und abwaschen war so gar nicht sein Ding und deshalb tat er das auch nicht, etc….. Wir waren etwas verwundert, da er wie gesagt eigentlich der nette, ruhige Typ war.

Eine Dame um die 50. Leider habe ich vergessen wo sie nun lebt; ihr Akzent war polnisch, lebt aber in Deutschland und ist Lehrerin.
Leider wusste sie alles besser und es war echt anstrengend ihr immer zuzuhören. Es ging nur um ihren Job als Lehrerin; egal ob beim Essen, beim Wandern oder im Bus. Hallo?! Genieße mal die Natur! Auch frage ich mich, wie man als so eine kleine Person so einen großen (Tages-)Rucksack rumtragen kann – selbst auf den noch so kleinsten Ausflügen musste das Monster mit … gebraucht hat sie daraus wahrscheinlich nie was.

Eine Dame Anfang 50 aus Österreich. Begleitung von der Dame aus der Schweiz. Hatten sich wohl mal in einem Urlaub kennengelernt und wollten jetzt was gemeinsam machen. Eine recht schüchterne Person. Sprach kein Englisch und war immer etwas Abseits. Auch die Eingliederung in die Gruppe fiel ihr schwer. Gesundheitlich wohl auch nicht die fitteste, denn bei der Talwanderung musste sie mit Kreislaufproblemen kämpften und brach ab, trug von Anfang an nicht genug Sonnencreme auf, wurde knall rot und lief die Hälfte der Reise teils mit Sonnenbrand-Blasen rum. Trotz allem aber immer freundlich und nett.

Eine Dame um die 30 aus der Schweiz, Begleitung der Österreicherin. Liebt Katzen und Hunde und ist eigentlich eine herzensgute Seele & jederzeit für eine kurze Massage (ist ihr Hobby) zu haben. Sie ging auf jeden zu, war zu jedem freundlich und aufgeschlossen. Selbst zu dem SkyDive hat sie quasi mich überredet! Deshalb passt es überhaupt nicht zusammen, dass sie bei allen Unternehmungen mitmachen wollte, aber dann bei vielem etwas ängstlich war. Selbst umgefallene Baumstämme bremsten sie manchmal aus, so dass sie ohne Hilfe nicht weiter gegangen wäre, obwohl sie wusste dass dahinten gleich ein wunderschöner Wasserfall kommt. Auch sie hatte das Problem mit den Brandblasen vom Sonnenbrand, so dass ich sie eincremen, hegen und pflegen dufte.

Ein Herr, irgendwas Ende 30 – Anfang 40 aus Deutschland. Alleinreisender. Sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig. Hat immer gute Laune und eine lustige gute Nachtgeschichte auf Lager und ist sich für nix zu schade. Sehr kurzweilig, kann aber auch anstrengend werden so ein ständig positiver Mensch.

Ein Herr Anfang 50 aus Deutschland, alleinreisend, geschieden. War er der eigentliche Anführer der Gruppe? Am Anfang ging viel nach ihm und aus unseren Augen war er sehr schnell unbeliebt. Denn: bitte mal anhalten ich möchte einen Kaffee (oder war es nur die Lust auf die Zigarette) /  ich muss vorne sitzen – hinten wird mir schlecht / das ist kein Raucherhusten, sondern eine Erkältung im Anmarsch / fühl mich wieder nicht so gut, deshalb mache ich auch diese Wanderung nicht mit / etc. Irgendwie glaubte man ihm nicht so ganz. War teilweise schon recht nervig und schade. Aber es kam dann doch ganz anders. Schlussendlich fügte er sich doch der Gruppe, saß plötzlich doch hinten, man konnte sich gut mit ihm unterhalten und selbst fürs abwaschen war er sich nicht zu schade. Am Ende der Reise mochten wir ihn sogar sehr gerne. Tja, manchmal braucht es halt ein bisschen; warum nicht gleich so.

Die Küken in der Gruppe. Ein Pärchen, beide Anfang 30 aus Bayern (beides Ingenieure)
Immer nett und hilfsbereit. Außerdem war er sehr belesen und das freute wiederum meinen Göttergatten. Auch war es praktisch, dass das Studienfach wohl Geologie war und wir somit einiges über die Natur hier in Namibia lernten. Zu jedem Canyon, Berg oder sonstige Steinerhebungen wusste er Bescheid und gab uns Unterricht (Zusammen oder abwechselnd mit dem Erdkunde Lehrer). Und sie war voll auf meiner Wellenlänge. Freche Schnauze (kommt ursprünglich aus der Nähe von Berlin) und für alles zu haben. So wurde es auch ab und zu mal feucht fröhlich und wir hatten sichtlich Spaß. Mal sehen ob man sich zu Hause wieder trifft.

Und wie heißt es so schön? Das Beste kommt zum Schluss:

Diese Frau (um die 60 Jahre) – alleinreisend aus Deutschland – eigentlich ohne Worte; und doch muss ich hier etwas loswerden. Denn bei allen anderen bisherigen Personen waren es ja quasi nur Banalitäten mit denen man sich arrangieren kann. Aber es gibt IMMER eine Person, die einem alles vermiesen kann; und das war sie: Will immer alles mitmachen und am besten die Erste sein. Rudert dann aber zurück, weil ihre Gesundheit da nicht mehr mit macht. Teilen ist für sie ein Fremdwort. Eher unter dem Motto: wo mein Name drauf steht, das gehört auch mir – nur mir! (In dem Fall ging es um Wasser – Hallo? In der Wüste ? – krass). Und dann die Respektlosigkeit und Ignorants.

Aber von vorne.

Als wir mal wieder durch die endlosen Weiten von Namibia fuhren und ich in meiner Playlist „Empire State of Mind – feat. Alicia Keys“ hörte, holte mich die Realität schlagartig zurück. Die Passage in dem Song „there ist nothing you can´t do, the lights will inspired you“ – hat schon was Surreales. Hier wo ich gerade bin sind hunderte von Kilometer in jede Richtung nur Steine und Sand.
Die Menschen sind arm und tatsächlich auf der Suche nach Wasser. In New York hingegen (es ging ja in dem Song um NY) und dem großen Rest der europäischen Welt wird so viel versschwendet und nicht sorgsam mit unseren Ressourcen umgegangen. Da machte es mich sehr traurig zu hören, dass hier in Afrika die Wasservorräte in 80 Jahren vollkommen verbraucht sein sollen, wenn es so weiter geht wie aktuell.

Das was mich auch wehmütig macht ist, dass es auch allen anderen in naher Zukunft so gehen wird, wenn der Überflusswahnsinn nicht extrem eingedemmt wird. Selbst Stephen Hawking sagt voraus, dass unser Planet in 1.000 Jahren am Ende sein wird.

Trotz dieser Gedanken versprach es ein weiterer toller Tag zu werden.
Ich schaute aus dem Fenster und genoss den Ausblick; die Ruhe und die Farben.

Aber da war sie – die nervigste Dame von allen aus unserer Gruppe – die alles besser wusste und sich nicht an Regeln oder Vorgaben zu halten braucht – selbst wenn diese direkt von den Guides kamen. So begann der nächste Einstieg in den Bus mit Zickereien, weil sie da sitzen wollte wo sie wollte und heute mal nicht rotieren will (was Ansage unserer Fahrer von Anfang war). Punkt. Nach einigen heftigeren Wortwechseln tauschte sie ihren Platz natürlich nicht ohne lauthals im Bus rumzuplärren wie engstirnig, unflexible und typisch Deutsch wir doch sind – Hallo? Hörst Du Dir überhaupt selbst zu?
Wir hatten uns alle wieder beruhigt und los ging die Fahrt.
Nach ein paar Stunden aber die nächste Klatsche.

Am Vorabend am Lagerfeuer erzählten uns die Guides eine wunderbare aber dennoch traurige Geschichte von Himba und Hereros. Wenn wir am nächsten Tag auf Himba-Frauen stoßen, dann bitte nicht aus dem Bus springen, einfach so Fotos machen, sondern uns für Ihren Schmuck und Kunst interessieren und was kaufen und die Frauen mit Respekt behandeln und ein Foto nur dann machen, wenn man sie höflich gefragt hat.

Was passiert? Unser Bus hält an, wer springt als erstes raus, schiebt sich eine der Himba – Frauen für ein Foto zu Recht und drückt ab. Wir alle konnten unseren Augen kaum trauen. Aber damit nicht genug. Als sie gemerkt hat, dass sie wohl etwas falsch gemacht hat, holte sie einen Geldschein heraus und steckte ihn der Himba-Frau zu. Geht’s noch? Ist das Respekt?

Aber es kommt noch krasser. Als sie mit ihren Fotos fertig war, holte sie Gummibärchen aus ihrem Rucksack und fütterte einen kleinen Himba-Jungen, der gerade laufen konnte. Hallo? Kinder mit Gummibärchen füttern wie Zootiere. Schäm Dich.

Und vor allem hatten das die Guides auch vorher ausdrücklich erwähnt: nichts herzuschenken – vor allem keine Süßigkeiten. Das kennen die ja nicht, wollen dann mehr, bekommen es nicht und gehen dann betteln oder sogar stehlen. Also nicht gerade förderlich die Kinder mit Junkfood anzufixen.

An dieser Stelle war ich bereits auf 180. Aber wer denkt das war es jetzt, täuscht sich.

Am nächsten Stopp (dem versteinerten Wald, der unter Denkmalschutz steht und Millionen von Jahre alt ist) angekommen, poltert sie gleich wieder los, stapft in die quasi abgesperrte Zone nur um gute Bilder zu schießen. Trampelt auf den versteinerten Holz rum unter dem Motto: ist doch nur Stein.

Ich sag´s euch. Ich konnte nicht mehr. Damit ich nicht explodiere, zog ich mich zurück.
Setzte mich in den Bus, wir fuhren weiter und ich schaute nur aus dem Fenster und dachte über diese unmögliche Person nach.

Ich finde diese Respektlosigkeit und Ignoranz so was von unter der Gürtellinie, dass mir die Tränen kamen. Ich glaube ich habe mich noch nie so sehr fremdgeschämt wie an diesem Tag.

Leider war der Tag noch nicht zu Ende.
Beim Abendessen kam wieder das Thema mit dem Abschieds- und Dankeschön Geschenk für die Guides-Mädels auf. Angedacht war etwas Gemeinsames zu machen. Ich hatte mich angeboten dies zu übernehmen und etwas zu besorgen und das Geld kollektiv zu sammeln.
Aber wie gesagt, der Abend kam anders. Plötzlich hatte die Eine Bedenken wegen der Höhe des Betrages und sie will es alleine machen. Angestiftet wussten die anderen jetzt auch nicht was sie tun sollen. O.k. ist gut. Ich will mich nicht aufdrängen. Dann eben nicht – und dabei hatte ich schon zwei tolle Holzelefanten mit Flügeln besorgt, die sich die Guides gewünscht hatten.

Ist schon Wahnsinn, welchen Einfluss eine Person auf viele haben kann.

Ich war an dem Abend echt ziemlich geknickt, da mir der Tag emotional einfach zu sehr zugesetzt hatte. Nicht dass das genug Fußtritte waren, bekam ich am letzten Tag noch von denen, die das „ich mach was allein“ nicht mitbekommen habe auch noch Verachtung. Diesmal unter dem Motto „warum dürfen wir jetzt nicht mitmachen? …“ – Mensch, ist echt nicht fair. Wie man es macht ist es falsch.

Zum Glück war es schon kurz vor Ende der Reise und ich hielt mich die restliche Zeit zurück.

Fazit:

Warum sollte man also eine Gruppenreise machen?
Natürlich weil man da in Gesellschaft unterwegs und es billiger ist.
Auch ist es schön das erlebte sofort mit Mitreisenden oder Gleichgesinnten (wenn es diese sind) teilen zu können.

Aber die Gesellschaft bzw. die anderen Teilnehmer kann man sich nicht aussuchen.
Ich persönlich finde zwei Wochen machbar. Die erste Woche vergeht eh wie im Fluge. Die zweite wird dann schon schwerer, nämlich dann, wenn auch der Gegenüber sein wahres ich nicht mehr versteckt und alle Geschichten erzählt sind.
Man lernt viel über die anderen und auch über sich selbst und stellt fest, wann man an seine persönlichen Grenzen kommt (wenn man etwas Hirn hat).

Natürlich ist es ein Leichtes über jemanden anderes zu lästern oder den ein oder anderen abzustempeln. Und ja – natürlich sind auch wir nicht perfekt und sicherlich für den ein oder anderen das Übel. Deshalb wäre es interessant zu wissen, wie wir auf unsere Mitreisenden gewirkt haben.

Dennoch ist jeder Einzelne ein Individuum mit seinen Fehlern und Macken und man muss nicht mit jedem zur Recht kommen. Aber jeder sollte einen Funken Respekt  haben – gegenüber den Mitreisenden und auch gegenüber dem Land das man bereist!

Ich werde sicherlich nochmals eine Gruppenreise machen, einfach nur um zu sehen, was ich aus der ersten gelernt habe und ob man da noch was verbessern kann. Auch werde ich mich in mehr Zurückhaltung und dem Vorsatz nicht jedem alles Recht machen zu wollen üben.

Peace !

Eure
Silke

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